RADIS Interdisziplinäre Fachtagung 2024

ZiF Bielefeld

Die Forschenden der RADIS-Förderlinie haben sich auf der interdisziplinären Fachtagung im Februar intensiv mit Expert:innen aus dem Feld ausgetauscht. Im Mittelpunkt standen aktuelle Erkenntnisse aus der Radikalisierungsforschung im Phänomenbereich Islamismus.

Am Donnerstag begrüßten Michael Schnatz (BMBF) und Dr. Silvia Matalik (DLR-Projektträger) die Gäste. Eröffnet wurde die Tagung von Prof. Dr. Andreas Zick und Prof. Dr. Julian Junk (RADIS). Prof. Zick deutet mit seiner Frage, ob es „hülfe, radikale Islamist:innen in diesen Plenarsaal einzuladen“, auf das Kernanliegen der Tagung: eine Plattform für offenen Austausch und konstruktive Debatten über Extremismus und seine Erforschung zu bieten.

Das erste Panel fokussierte auf Bedrohungswahrnehmungen und ihre Rolle für gesellschaftliche Ausgrenzungsprozesse und wurde von Sina Tultschinetski (RADIS) moderiert. Mona Klöckner (KURI) präsentierte eine Online-Umfrage über Einstellungen der Bevölkerung zum Umgang mit Extremismus und berichtete von messbaren Verschiebungen über die Zeit hinweg. Der folgende Vortrag von Dr. Melanie Reddig und Niklas Herrberg (ArenDt) widmete sich Antisemitismus unter Muslim:innen aus jüdischer Perspektive. Dass Jüdinnen und Juden dieses Phänomen als Teil eines großen Problems mit Antisemitismus in Deutschland sehen, reihte sich thematisch an die Erkenntnisse von Prof. Dr. Gert Pickel (RIRA) und Dr. Des. Cemal Öztürk (RIRA). Sie betrachten Radikalisierung nicht isoliert, sondern vertreten die These einer Radikalisierungsspirale, in der sich islamistische und rechtsradikale Tendenzen gegenseitig begünstigen. Prof. Dr. Peter Wetzels (Universität Hamburg) kommentierte abschließend die drei Vorträge.

Am Nachmittag ging es weiter mit einem Panel zu Konkurrenzverhältnissen und Ideologisierung im Islam, moderiert von Dr. Anja Schmidt-Kleinert (RADIS). Wie umkämpft die Begriffe „Islamismus“ und „Fundamentalismus“ sind, diskutierte  Dr. Jörn Thielmann (Wechselwirkungen) in seinem Vortrag. Dr. Youssef Dennaoui (Deutungsmacht) illustrierte dann am Beispiel des Neosalafismus die Dimensionen und Folgen religiöser Konkurrenzen: Hier werden nicht zuletzt politische Kämpfe ausgetragen. Die Forschung von Marcel Klapp (Universität zu Köln) macht darüber hinaus deutlich: Salafistische Online-Prediger nutzen Cross-Platform-Marketing, um Reichweite und damit Autorität zu generieren. Für die inhaltliche Abrundung sorgte Prof. Dr. Meltem Kulacatan (IU Nürnberg) mit zahlreichen Gedanken zu den drei Vorträgen.

Das folgende Panel zu lokalen Strukturen als Kontext für Radikalisierung moderierte Shaimaa Abdellah (RADIS). Hier betonte Dr. Gerrit Weitzel (RadiRA) Superdiversität als ein prägendes Kontextelement in Radikalisierungsprozessen. Während seiner ethnologischen Feldforschung in einer nordrhein-westfälischen Großstadt erlebte er Formen der „Koexistenz zwischen Konflikt und Normalität“. Anna-Maria Meuth (RaMi) zeigte anhand antimuslimischer Diskurse, wie antidemokratische Prozesse normalisiert und in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden. Den abschließenden Kommentar übernahm Dr. Jörg Hüttermann (Universität Bielefeld).

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Am kommenden Morgen führte Lars Wiegold (RADIS) durch ein Panel zu affektiven, sozialen und strukturellen Faktoren der Radikalisierung. Angehende islamische Religionslehrkräfte benennen laut Alexandra Schramm (UWIT) vor allem Identitätskrisen, mangelnden Selbstwert und Unwissenheit über den Islam als Auslöser für Radikalisierung. Analog dazu entsteht islamistische Radikalisierung nach den Erkenntnissen von Dr. Sarah Demmrich (Ressentiment) in einem Spannungsfeld zwischen hohen Kränkungsgefühlen und starken Feindbildern. Die Diskussion der beiden Vorträge wurde von Prof. Dr. Kurt Möller (Hochschule Esslingen) eingeleitet.

Abschließend standen Aspekte der Praxis im Mittelpunkt — Lars Schäfer (VPN) moderierte das Panel zur anwendungsorientierten Forschung. Eike Bösing (Distanz) sprach über Formen der Professionalität in der Handlungspraxis von Fachkräften der Islamismusprävention. Wie muslimische Vereinen in Strukturen der Prävention eingebunden sind, diskutierte Prof. Dr. Jens Ostwaldt (ZRP). In Bezug auf die Finanzierung von Prävention bekräftigte Prof. Dr. Dennis Walkenhorst (IU Internationale Hochschule): „Förderstrukturen in der Ausstiegs- und Distanzierungsarbeit müssen Fragmentierungseffekten entgegenwirken und Austausch ermöglichen“. In einem Werkstattgespräch führten Dr. Juliane Kanitz (i-unito) und Harry Guta (beRATen e.V.) durch Hartmut Rosas Konzept der Resonanz und seine Bedeutung für die Extremismusprävention. Abschließend kommentierte Dr. Götz Nordbruch (Berghof Foundation Berlin) das Gehörte.

Die Tagung klang mit einem gemeinsamen Mittagessen aus. Wir sind dankbar für viele bereichernde Vorträge, inspirierende Gespräche und konstruktive Diskussionen.

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