Leitung:
Laufzeit: 10/2020 – 12/2024
Salafistische Theologie unterscheidet sich von anderen Ausrichtungen im religiösen Feld des Islam häufig durch ihre polemische Kommunikation, die unterschiedliche Formen annehmen kann. Eine dieser Formen stellt ‚religiöse Überbietung‘ dar, die im Projekt als eine konfliktive Konkurrenzstrategie begriffen wird und die Deutungshoheit über den Islam und die Muslime zum Ziel hat. Durch den salafistischen Einsatz von Überbietungstechniken werden autoritative Texte und theologische Diskurstraditionen des Islam in verschärfter und selektiver Form gelesen. Das Ergebnis dieser Lesart wird als der ‚reine‘ und ‚authentische‘ Islam präsentiert. Religiöse Überbietungskämpfe werden unter muslimischen Theologen als religiöse Übertreibungen (Mughalat) thematisiert. Doch sind verschiedene Fragen noch nicht hinreichend beantwortet, besonders in Hinblick auf Kontextualität, Verlaufsformen und Folgen. Für das Projekt leitend ist deshalb die Frage, wann und unter welchen Bedingungen, religiöse Überbietungskämpfe zu jenen Konflikten führen, die Polarisierung und Radikalisierung im Feld des Islam begünstigen
Diesen Fragen widmet sich das Projekt zunächst durch eine diskursanalytische und wissenssoziologisch orientierte Rekonstruktion salafistischer Schlüsseltexte und ihrer Aneignungsweisen in zwei unterschiedlichen Kontexten (Marokko und Deutschland). Der Fokus richtet sich dabei auf Debatten und Diskurse, die für salafistische Theologien leitend sind: insbesondere Diskurse von Reinheit und Authentizität, Diskurse von Verlust und Errettung sowie Diskurse von Loyalität und Lossagung. Diese sollen in ihrem jeweiligen Kontext (Marokko/Deutschland) vergleichend analysiert und auf ihre möglichen Radikalisierungseffekte hin bewertet werden. Durch den Vergleich zwischen Marokko und Deutschland sollen die Ergebnisse der Analyse einerseits komparativ abgesichert und anderseits dem transnationalen Charakter salafistischer Überbietungsdiskurse gerecht werden.
Die Forschungsergebnisse sollen genutzt werden, um bestehende Maßnahmen gegen den radikalen Salafismus in Deutschland auszuwerten bzw. neue zu generieren. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren sollen vorhandene Ansätze evaluiert und neue erarbeitet werden, darunter sind die Stadt Aachen (Das Programm „Wegweiser – gemeinsam gegen Islamismus“), das NRW-Netzwerk CoRE, islamische Moscheegemeinden sowie verschiedene Zentren islamischer Theologie in Deutschland. Leitend dabei ist, Präventionskulturen gegen religiöse Radikalisierung vor Ort zu etablieren, die transreligiöse und translokale Ursachen berücksichtigen.
Film "Das Projekt Deutungsmacht" | Länge 1"40' | Realisation Shaimaa Abdellah // Ute Seitz | PRIF 2023