Themen

Das Transfervorhaben RADIS begleitet eine Förderlinie, in der über 100 Forschende an verschiedensten Fragen rund um radikalen Islam arbeiten. Erfahrungsgemäß profitiert die inhaltliche Arbeit sehr davon, wenn sich Forschungsgruppen über Disziplinen und Institutionen hinweg miteinander vernetzen. Deshalb haben sich bei RADIS die sogenannten Cluster zusammengefunden, die gleichzeitig wichtige Themenstränge der Förderlinie abbilden.

Cluster

Als Herzstück von RADIS bieten die Cluster den Forschenden Raum, um theoretische, methodische und forschungsorganisatorische Fragen zu diskutieren, voneinander zu lernen und Kooperationen zu erschließen. Die Teilnehmenden gestalten gemeinsam ihre Treffen und orientieren sich dabei am jeweiligen Bedarf der Projekte in unterschiedlichen Forschungsphasen.

Im Cluster Dialog mit der Fachpraxis widmen wir uns der Entwicklung von Präventionsstrategien und -maßnahmen: Wie kann etwa ein „Co-Creation-Prozess“ zwischen Fachpraxis und Wissenschaft von Anfang an gelingen? Wie können Forschungsergebnisse von der Wissenschaft bedarfsgerecht für die Praxis erarbeitet werden? Darüber hinaus suchen wir nach Möglichkeiten, um Plattformen für einen verbesserten Wissenschaft-Praxis-Dialog zu schaffen. Bei der Übertragung von Präventionsmaßnahmen in andere Kontexte und Regionen steht das Cluster vor der Frage, wie diese nachhaltig implementiert werden können. Unter anderem diskutieren wir, inwieweit eine Kooperation im Rahmen von Multi-Agency-Ansätzen mit Sicherheitsbehörden gelingen kann. Dabei profitieren wir auch von gezielten Inputs aus der Fachpraxis.

Gefühle, Erfahrungen und persönliche Einstellungen einzelner Menschen spielen bei der Erforschung des radikalen Islam eine bedeutende Rolle. Im Cluster Emotionen, Affekte und Wahrnehmungen auf subjektiver Ebene beschäftigen wir uns mit den theoretischen und methodischen Herausforderungen, denen Forschende in ihrer Auseinandersetzung mit Subjekten und deren Emotionen begegnen. Das kann neben hohen Datenschutzanforderungen auch das Thema der potenziellen (Re-)Traumatisierung und Nachsorge von Befragten betreffen.

Der Austausch in dieser Gruppe ermöglicht den Teilnehmenden, die diversen Ansätze und Konstrukte zu diskutieren, die für ihre jeweiligen Forschungsfragen relevant sind, z.B. Bedrohungsgefühle, Ressentiments und die Wahrnehmung eigener Diskriminierungserfahrungen. Die Schwerpunkte reichen von der Weiterentwicklung einzelner Fragen aus Leitfadeninterviews über Diskussionen zu bestimmten theoretischen Annahmen bis hin zur kritischen Auseinandersetzung mit verschiedenen Literatursträngen, die sich mit Emotionen, Affekten und Wahrnehmungen zum radikalen Islam beschäftigen.

Im Cluster Gruppendiskussionen und Interviews diskutieren wir qualitative und rekonstruktive Erhebungs- und Analyseverfahren, um gesellschaftliche Ursachen und Wirkungen islamistischer Radikalisierung zu untersuchen. In den Treffen behandeln wir dabei u.a. Erfahrungen zur Anonymisierung und zum Datenschutz, zur Ansprache und Akquise von Interviewpartner:innen. Qualitative Forschungsvorhaben begegnen hier erheblichen Anforderungen und müssen sich sehr sorgfältig auf das Feld vorbereiten. Besonders Begriffe wie „Radikalisierung“ und „Einstellungen“ schrecken potenzielle Interviewpartner:innen ab. Auch die technischen Möglichkeiten zur coronabedingten Durchführung von Online-Interviews und -Gruppengesprächen werden gemeinsam ausgelotet und diskutiert. Darüber hinaus eint die Mitglieder des Clusters das Interesse an Gruppendiskussionsverfahren sowie an tiefenhermeneutischen, dokumentarischen und inhaltsanalytischen Auswertungsverfahren. Deshalb diskutieren wir außerdem thematisch einschlägige Texte und besprechen methodische und methodologische Fragen.

Immer stärker rückten in den letzten Jahren forschungsethische Fragestellungen ins Zentrum der Forschung zu radikalem Islam. Im Cluster Forschungsethik diskutieren wir dies im Bezug auf die Projekte der Förderlinie und tauschen Erfahrungen zu vier Kernthemen aus: (1) die Sicherheit und die Belastung der Forschenden selbst, (2) forschungsethische Fragen im Bezug auf die zu Beforschenden, (3) Sammlung und Bewertung verschiedener disziplinärer Standards und deren Transfer auf die Themen der Förderlinie sowie (4) Herausforderungen für Wissenschaftsfreiheit.

Institutionen spielen an unzähligen Stellen des Radikalisierungsprozesses eine elementare Rolle, und institutionelles Handeln prägt gesellschaftliche Radikalisierungsdynamiken. Doch so vielschichtig die Felder sind, auf denen Institutionen agieren, von Pädagogik, Religion, (Sicherheits-)Behörden, bis hin zu zivilgesellschaftlichen Organisationen aller Art, so divers gestaltet sich auch unser Umgang als Forschende mit ihnen. Im Cluster Institutionelle Strategien im Umgang mit Radikalisierungsdynamiken interessiert uns genau diese Vielschichtigkeit der Institutionen. Wichtig ist dabei auch die Frage nach unserem Verständnis und dem jeweiligen Selbstverständnis von Institutionen in Bezug auf Radikalisierungsprozesse.

Das Forschungsfeld rund um den radikalen Islam ist weit gefächert und wird von Wissenschaftler:innen diverser Fachrichtungen mit verschiedenen Zugängen erforscht. So ergibt sich eine große Bandbreite von theoretischen Blickwinkeln und darauf basierenden Instrumenten. Im Cluster Kernbegriffe: Definitionen, Operationalisierung, Skalenentwicklung tauschen wir uns über Theorien, Begriffe und Skalen aus, mit denen die einzelnen Forschungsprojekte arbeiten oder die sie kritisch sehen. Wir diskutieren über die Ursprünge, Merkmale und Implikationen verschiedener Kernbegriffe und grenzen sie voneinander ab. Beispiele dafür sind Islamophobie / Muslimfeindlichkeit und Hate Speech sowie der für das gesamte Forschungsfeld paradigmatische Begriff Islamismus / radikaler Islam.

Der Austausch findet in verschiedenen Formaten statt, von Impulsvorträgen aus dem Cluster über die Diskussion einschlägiger Literatur bis hin zu möglichen übergreifenden Operationalisierungen oder einer Skalenentwicklung.

Im Cluster Dynamiken zwischen radikalen Gruppen/Individuen und ihren Umwelten sprechen wir über die Analyse von Wechselwirkungen zwischen Personen bzw. Gruppen und Umweltfaktoren. Zwar werden räumliche und kontextspezifische Faktoren in der Diskussion um Radikalisierung immer wieder genannt, bislang liegt jedoch nur wenig konkretes Wissen über den Einfluss von Umweltfaktoren vor. Wir diskutieren theoretische und methodische Herausforderungen, zum Beispiel wie die Einbettung von Individuen und Gruppen in ihre Umwelten theoretisch gefasst und verstanden werden kann. Je nach Forschungsinteresse werden dabei die Dynamiken und Faktoren innerhalb von Stadtteilen ebenso in den Blick genommen wie schulische Kontexte oder auch der Einfluss von lokalen Gruppen und Milieus.

Viele Forschende beschäftigen sich innerhalb der Projekte mit großen Mengen an Daten in Textform. Die Textgattungen sind dabei sehr unterschiedlich und reichen von Social Media über Gesetzestexte bis hin zu Predigten in deutscher, arabischer und türkischer Sprache. Entsprechend variieren auch die Fragestellungen und das Erkenntnisinteresse, sodass alle Mitglieder ganz eigene Bedarfe im Umgang mit Textdaten mitbringen. In den Treffen des Clusters Qualitative und quantitative Textanalyse sowie Umgang mit großen Datenmengen diskutieren wir unsere Erfahrungen zur Sammlung, Aufbereitung und Analyse von Textdaten. Im Rahmen von Peer Teachings führen erfahrene Kolleg:innen die Gruppe in bewährte, aber auch in neue oder bisher weniger bekannte Instrumente oder Analysesoftware ein, z.B. R, MAXQDA, 4CAT. Gemeinsam werden Anwendungsmöglichkeiten in den Projekten diskutiert.

Im Cluster Umfragen und Umfrageexperimente tauschen sich Projekte der Förderlinie aus, die mit Umfrage-Designs arbeiten. Je nach Bedarf besprechen wir die Designs der Forschungsgruppen und diskutieren verschiedene Skalen. Außerdem versuchen wir, Synergien durch die Taktung der Umfragen und die wechselseitige Bezugnahme in Items zu fördern. Die Clustertreffen haben mithin einen stark operativen Charakter, berühren aber das gesamte Themenspektrum der Förderlinie.