Leitung:
Projektkoordination:
Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen:
Laufzeit: 01/2021 – 03/2024
Ob und in welcher Weise hat der erstarkende Rechtspopulismus den öffentlichen Diskurs über den Islam in den letzten Jahrzehnten verändert? Rücken rechtspopulistische und rechtsextreme Deutungen des Islams in den Mainstream und normalisieren sich damit? Welche Faktoren, wie etwa die Funktionsweise der Medien, beeinflussen diese Entwicklungen?
Diese zentralen Fragen untersuchte das Projekt RaMi mit einem Mixed-Method-Design: Das Forschungsteam analysierte umfangreiche Mediendaten und führte ergänzende historische Kontextanalysen sowie qualitative Interviews durch. In ihrer Medienanalyse untersuchten die Forschenden den Verlauf von Berichterstattungen und Diskursen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Zeitraum von 2000-2020. Die Ergebnisse zeigen:
Seit 9/11 setzen überregionale Tageszeitungen das Thema Islam und Muslim:innen stärker auf die Agenda. Insbesondere religiös motivierte Terroranschläge lösten in den darauf folgenden Jahren Medienstürme aus: Sie erzeugten eine überdurchschnittlich hohe Aufmerksamkeit der Massenmedien für gewaltbereite, radikale Akteur:innen und Gruppierungen. Medien folgen in ihren Berichterstattungen der systemimmanenten Funktionslogik, Themen mit hohem Nachrichtenwert und Emotionsgehalt auszuwählen. Einzelne Ereignisse prägen so den Diskurs und die Assoziation des Themas Islam mit Gewalt und Terrorismus. Interessanterweise spielen rechtspopulistische Akteure bei der Berichterstattung und in den Debatten zu Terroranschlägen in den großen Tageszeitungen kaum eine Rolle. Dahingegen ist ihre Präsenz, Aktivität und ihr Einfluss in Social Media erheblich.
Mit der historischen Kontextanalyse prüfte das Team von RaMi, wie rechtspopulistische Diskurse „den“ Islam mit nationaler Identität und Migration verknüpfen. Besonders auffällig dabei: Rechtspopulistische und rechtsextreme Akteur:innen in Europa beschäftigen sich bereits seit den 2000er Jahren verstärkt mit den Themen Islam und Islamismus. Dabei propagieren sie ein neues Feindbild und eine migrationsfeindliche Agenda.
Die qualitativen Erhebungen stützen die Erkenntnis, dass die Auswirkungen solcher medialen Narrative und das Ausmaß ihrer Verbreitung bei weitem nicht nur symbolisch sind. Besonders auf Politikfelder wie Sicherheit, Migration oder Außenpolitik haben mediale Narrative unmittelbare Auswirkungen. Gleiches gilt für die demokratische Partizipation und gesellschaftliche Teilhabe von Muslim:innen.
Der sogenannte gesellschaftliche Mainstream agiert und reagiert dabei sehr heterogen. Das Verhalten gegenüber rechtsextremen und rechtspopulistischen Akteur:innen reicht von Abgrenzung über Bestätigung und Anpassung bis hin zur Rechtfertigung. Durch Letztere entstehen neue Gelegenheiten zur Verbreitung islam- und migrationsfeindliche Narrative, wobei die Grenzen zwischen politischen Gruppen und Sichtweisen zunehmend verwischt und damit rechte Positionen normalisiert werden können.
Empfehlungen
1. Die Dynamiken rechter Normalisierung und De-Normalisierung im Mainstream sollten von Forschung, Präventionspraxis und demokratischen Parteien stärker in den Blick genommen werden.
2. Unabhängige demokratische Medien müssen gestärkt werden, um Fehlinformationen zu widerlegen und geeignete kommunikative Gegenstrategien aufzubauen.
3. Um verzerrenden Vorstellungen über den Islam als radikale Religion vorzubeugen, braucht es mehr (außer)schulische politische Bildungsarbeit.
4. Menschen, die von Rassismus betroffen sind, sollten in gesellschaftlicher Teilhabe und politischem Engagement gestärkt werden, z.B. über Förderprogramme für Demokratie und Vielfalt und gegen Extremismus.
Film "Das Projekt RaMi" | Länge 2"18' | Realisation Ute Seitz // Philipp Offermann | PRIF 2021