Eckdaten

Leitung:

  • Prof. Dr. Margit Stein, Universität Vechta
  • Prof. Dr. Mehmet Kart, IU Internationale Hochschule, Hannover
     

Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen:

  • Yannick von Lautz
  • Eike Bösing


Laufzeit: 11/2020 - 01/2025

  • TP 1: IU Internationale Hochschule Hannover, Fachbereich Soziale Arbeit
  • TP 2: Universität Vechta, Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik im Fachbereich Erziehungswissenschaften

    Praxispartner

    • Wegweiser - Gemeinsam gegen Islamismus (Standort Köln) (Website)
    • CHAMPS-Projekt (Website)

    Aktuelle Publikationen

    • Stein, Margit/Bösing, Eike/Kart, Mehmet/von Lautz, Yannick (2024): Die Rolle digitaler Medien in der Hinwendung zu islamistischer Radikalisierung. Eine qualitative Interviewstudie. In: MedienPädagogik – Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, Themenheft 59, 123-140. [Download]
    • Bösing, Eike (2024): Professionelles Handelns in der Islamismusprävention. In: Soziale Arbeit, 73(7), 242-249. [Download]
    • von Lautz, Yannick/Bösing, Eike/Kart, Mehmet/Margit Stein (2024): Influences of Discrimination and Stigmatization on Secondary and Tertiary Level P/CVE Efforts – Insights from German Practitioners into Countering Islamist Extremism. In: Journal of Deradicalization, 38, 122-164. [Download]

    Strukturelle Ursachen der Annäherung an und Distanzierung von islamistischer Radikalisierung (Distanz)

    Entwicklung präventiv-pädagogischer Beratungsansätze

    Das Projekt Distanz beschäftigte sich mit der Fragestellung, welche individuellen und strukturellen Faktoren Deradikalisierungs- und Distanzierungsprozesse beeinflussen. Die Erfahrungen von Praktiker:innen aus Beratungsstellen der Präventionsarbeit wurden durch Interviews systematisch erfasst. Interessant war dabei ihr Wissen zur Entstehung von Radikalisierung (Annäherungsprozesse) bei jungen Menschen, insbesondere aber zur gelungenen Distanzierung von islamistischem Extremismus. Ergänzend dazu analysierte das Projekt Biografien von inzwischen deradikalisierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

    In einem zweiten Schritt erforschte Distanz, welche pädagogischen Präventionsmaßnahmen oder -projekte besonders erfolgreich sind, um Radikalisierung entgegenzuwirken und Distanzierung zu fördern. Im Fokus der Forschung standen strukturelle Ansätze, die im Kontext der Familie, in Schulen, Arbeitsstätten und in (religiösen) Einrichtungen angewendet werden können. Zusätzlich begleitete und evaluierte das Projekt Distanz ein primärpräventives Projekt und veröffentlichte dazu Evaluationsberichte. Es sichtete und systematisierte darüber hinaus bisherige Ansätze und Angebote der Deradikalisierungsarbeit. Ergänzend dazu erfolgten quantitative Erhebungen, um die Bedarfe und Herausforderungen von Lehrkräften und Sozialarbeiter:innen im schulischen Umfeld zu erfassen.

    Auf Basis der Forschungsergebnisse erarbeitete Distanz gemeinsam mit Praxispartner:innen Aus- und Fortbildungskonzepte für Fachkräfte sowie Workshops und Seminarkonzepte für Sozialarbeitende und Lehrkräfte in Ausbildung. 

    Hauptergebnisse

    Insgesamt zeigte sich, dass von Beratungsangeboten begleitete Wege aus der Radikalisierung durch vielfältige individuelle wie strukturell-gesellschaftliche Faktoren beeinflusst werden. Es ist wesentlich, die Rolle sozioökonomischer, sozialräumlicher und institutioneller Benachteiligungen bei der Entstehung von Problemen zu verstehen. Strukturelle Diskriminierung von Muslim:innen kann Deradikalisierungsprozesse beispielsweise erheblich stören. Entscheidende Stellschrauben in der Beratung liegen darin, den Klient:innen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und ihre individuelle Lebenssituation zu stabilisieren.

    Auf Basis der Interviews mit Akteur:innen der Deradikalisierungsarbeit identifiziert die Distanz-Studie verschiedene Beratungsansätze, die jeweils mit unterschiedlichen Interaktionstypen der Beratenden einhergehen. Einige Ansätze stützen sich vor allem auf religiöse Expertise. Andere setzen auf emotionale Bindung, gleichberechtigte Interaktion, Anerkennung oder die Unterstützung bei der Alltags- und Lebensbewältigung setzen. In Deutschland stellen sowohl zivilgesellschaftliche als auch staatliche Sicherheitsbehörden Beratungsangebote bereit. Ein zentraler Befund ist, dass die institutionell verankerten Problemdeutungen und Interventionsstrategien die Handlungsorientierungen in der Beratung beeinflussen. 

    Die quantitativen wie qualitativen Erhebungen im Schulkontext zeigen: Lehrkräfte und Sozialarbeiter:innen stehen vor vielfältigen Konflikten im Kontext religiöser Praxis und (vermeintlicher) islamistischer Radikalisierung. Die Distanz-Studie zeigt, dass Probleme und Herausforderungen teils dramatisiert, aber manchmal auch ignoriert oder bagatellisiert werden. Das führt zu Unsicherheiten im Umgang mit betroffenen Schüler:innen und kann adäquate Schutzmaßnahmen erschweren. Die Erkenntnisse des Projekts unterstreichen einen dringenden Fortbildungsbedarf für Pädagog:innen und Sozialarbeitende im Umgang mit religiöser Vielfalt und islamistischer Radikalisierung.


    Film "Das Projekt Distanz" | Länge 2"01' | Realisation Ute Seitz // Philipp Offermann | PRIF 2021

     

    Das Projekt Distanz beschäftigt sich mit Prozessen der (De-)Radikalisierung von islamistischen Strukturen. Es untersucht Ursachen, Wendepunkte und Muster in Abkehrdynamiken. „Diese Prozesse gelten größtenteils noch als Blackbox. Das möchten wir aufbrechen“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Mehmet Kart. Im Interview mit RADIS berichtet er anekdotisch von ersten Erkenntnissen und verweist auf Chancen für die Präventionspraxis, die sich aus seiner Forschung ergeben könnten.