Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), Humboldt-Universität zu Berlin
Leitung:
Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen:
Laufzeit: 09/2020 – 08/2023
Welche Auswirkungen hat Islamismus auf die muslimischen Communities in Deutschland? Diese Frage wird selten gestellt, obwohl Islamist:innen durch unterschiedliche Strategien Druck auf muslimische Communities ausüben. Sie erheben zum Beispiel den Vorwurf, die Moscheevereine hätten in der Diaspora den Zugang zum „wahren Islam“ verloren oder werben aggressiv um Jugendliche in Vereinen und Schulen. Mit kostenlosem Missionierungsmaterial versuchen sie, Gemeindemitglieder zu manipulieren und zu rekrutieren. Darauf reagieren muslimische Verbände, (Moschee-)Vereine und muslimische Einzelinitiativen und -personen in unterschiedlicher Weise. Aufklärungsmaßnahmen und Coachings für Gemeindemitglieder gehören ebenso dazu wie Versuche, die Islamist:innen aus der Gemeinde zu verweisen oder in Gemeindestrukturen einzugliedern, um somit ihren Einfluss zu neutralisieren. Teilweise wird auch externe Hilfe in Anspruch genommen – womit neue Strukturen der Prävention entstehen, darunter Seelsorgetelefone, Deradikalisierungstrainings, Selbsthilfe- oder Aussteigergruppen.
Das Projekt D:Islam untersucht, wie muslimische Communites durch Islamist:innen bedroht werden und wie sie darauf reagieren.
Ziel ist es dabei, Konturen eines „Deutschen Islam“ herauszuarbeiten, der sich im Spannungsfeld zwischen islamistischen und antimuslimischen Bedrohungen zu etablieren sucht. Aus den Ergebnissen werden gemeinsam mit muslimischen Communities und der Alhambra Gesellschaft Präventionsmaßnahmen entwickelt.
Das Projekt untersucht, inwiefern muslimische Communities Bedrohungen durch islamistische Phishing-Strategien ausgesetzt sind und wie sich diese Bedrohungen gestalten. Dafür betrachtet D:Islam islamistische Anwerbestrategien auf zwei Ebenen: (1) Online-Strategien mittels Big Data und Diskursnetzwerkanalysen und (2) Offline-Strategien durch qualitative Expert:inneninterviews mit Akteur:innen der Präventions- und Deradikalisierungsarbeit.
Ergänzend dazu untersucht das Projekt die Defense-Strategien muslimischer Communities in Reaktion auf Bedrohungen durch Radikalisierung und Islamismus. D:Islam erstellt ein Mapping der Gefahrenpotentiale des Islamismus für verschiedene Community-Akteur:innen und eine qualitative Analyse von Community-Reaktionen, basierend auf 80 bundesweit geführten, qualitativen Interviews mit Verbänden, (Moschee-)Vereinen sowie muslimischen Einzelinitiativen und -personen.
Parallel zum Mapping der Gefahrenpotentiale und der Defense-Strategien geht das Projektteam Fragen der Hybridisierung des Islam nach. Sind im Zuge der Reaktionen Hybridisierungsprozesse bei der Ausübung des islamischen Glaubens und der Auslebung einer muslimischen Identität erkennbar? Analog zu historischen Adaptationsformen des Islam, in denen in unterschiedlichen Kontexten von einem „Türkischen Islam“, „Indonesischem Islam“ oder aber auch einem „Französischen Islam“ etc. die Rede ist, soll hier untersucht werden, ob eine spezifische Form eines „Deutschen Islam“ erkennbar ist und falls ja, wie sich dieser artikuliert. Außerdem erforscht das Projekt, ob ein „Deutscher Islam“ als ein externes erzwungenes Konzept wahrgenommen wird – Stichwort oktroyierter „Staatsislam“ – oder ob sich das Konzept durch eine diasporische Hybridisierung erklären lässt, die möglicherweise auch durch Abgrenzungen gegenüber Islamismus oder religiöse Steuerungen aus den ehemaligen Herkunftsländern entsteht. Diese Fragen behandelt das Projekt mit komparativen Narrativ- und Diskursanalysen.
Film "Das Projekt D:ISLAM" | Länge 2"06' | Realisation Ute Seitz | PRIF 2023