RADIS-Jahreskonferenz 2023

Mitte Februar traf sich die RADIS-Förderlinie für ihre interne Jahreskonferenz am Zentrum für interdisziplinäre Forschung an der Universität Bielefeld. Über drei Tage diskutierten Wissenschaftler:innen der 12 Forschungsprojekten aktuelle Erkenntnisse aus der Radikalisierungsforschung im Phänomenbereich Islamismus. In Podiumsdiskussionen, Vorträgen und thematischen Arbeitsgruppen präsentierten die Projekte den eigenen Forschungsstand und teilten erste Erkenntnisse. Das Ziel: ein Austausch, der den komplexen Ansätzen in der Radikalisierungsforschung, Präventionsarbeit und politischen Bildung gerecht wird. In zahlreichen Diskussionen wurden thematische Analogien sichtbar, die einen besonders fruchtbaren Austausch ermöglichten.

Die dreitägige Konferenz begann am 13.02. mit einem Fokus auf den wissenschaftlichen Nachwuchs. Promovierende konnten ihre Dissertationsprojekte vorstellen und im Plenum diskutieren. Gelegenheiten zum Dialog über das Fach hinaus gab es anschließend bei Kaffee und Kuchen. In der abendlichen Diskussionsveranstaltung mit Amrei Bahr, der Initiatorin und Autorin von #IchBinHanna, und Alvaro Morcillo Laiz von NGAWiss sprachen wir über die Stromschnellen des Wissenschaftssystems. „Die Geschichte des Antragsschreiben ist eine Geschichte des Scheiterns“, so Amrei Bahr. Junge Forschende, die vor einer wissenschaftlichen Karriere stehen, sehen sich hohen Anforderungen und Risiken ausgesetzt. Ein Fazit der Runde: Die Forderung nach einer größeren Zahl unbefristeter Stellen sollte so nachdrücklich wie häufig formuliert werden.

---

Der darauffolgende Konferenztag begann mit einem Bericht aus der AG „Datenhub Gesellschaftlicher Zusammenhalt / Radikalisierung“. Die AG ist ins Leben gerufen worden, um die Frage zu diskutieren, wie Daten aus der Radikalisierungsforschung sinnvoll gehandhabt und geteilt werden können - ein Thema, das die Wissenschaft im Ganzen, aber besonders im sensiblen Bereich der Radikalisierungsforschung beschäftigt.

In darauf folgenden Projektspots stellten einige Forschungsprojekte erste Ergebnisse vor. Evelyn Bokler und Mouhanad Khorchide (Ressentiment) betrachteten den Zusammenhang zwischen Ressentiments und Radikalisierung. Lea Brost, Martin Kahl und Isabelle Stephanblome (KURI) stellten Trends im Umgang mit Islamismus in Deutschland vor und berichteten über ihre Befunde zu islamistischen Aktivitäten, Bedrohungswahrnehmungen und Maßnahmen. Riem Spielhaus (RIRA) stellte ihre Analysen zu Materialien für die schulische Bildung zum Thema Radikalisierung vor. Außerdem referierten Melanie Reddig und Niklas Herrberg (ArenDt) über jüdische Perspektiven auf die gesellschaftliche Kontroverse um importierten Antisemitismus.

Am Nachmittag wurden in drei parallelen Sessions thematische Schwerpunkte gesetzt. Gemeinsam mit Susanne Pickel, Fabian Heß (RIRA) und Ertuğrul Şahin (Wechselwirkungen) näherten wir uns dem Begriff der Co-Radikalisierung. Die Runde diskutierte unter anderem, wann und wie Spiralen der Radikalisierung entstehen. Eine zweite Gruppe behandelte mit Youssef Dennaoui (Deutungsmacht) und Serdar Aslan Wechselwirkungen) den Erfolg der religiösen Kommunikation von Salafist:innen. Hierbei wurde auf regionale Unterschiede in Predigten und religiösen Schriften aufmerksam gemacht. Die dritte Gruppe näherte sich dem Bereich Schule mit Eike Bösing, Margit Stein und Mehmet Kart von den Projekten Distanz und UWIT. Das Gespräch drehte sich um die Bedarfe und Anforderungen an einen sensiblen Umgang mit Radikalisierung im Schulkontext. Gemeinsam diskutierten sie, wie man früher erkennen kann, ob Lehrkräfte Unterstützung im Umgang mit radikalisierten Jugendlichen bräuchten. Durch die projektübergreifende Annäherung an diese Themenspots konnten die verschiedenen methodischen Blickwinkel diskutiert und der eigene theoretische Ansatz geschärft werden.

Abgerundet wurde der Konferenztag mit einer Diskussion zum Thema Wissenschaftsfreiheit im großen Plenum mit der Philosophin Elif Özmen. Sie betonte: "Die Freiheit der Wissenschaft geht mit dem Wagnis einher, dass sich die Wissenschaft selbst reguliert.".- ein Gedanke, der viele Forschende des Netzwerks bewegt, wie sich beim anschließenden Abendessen in gemütlicher Runde zeigte.

---

Der letzte Tagungstag wurde durch drei weitere thematische Sessions eingeleitet. Marvin Mücke (RIRA) referierte über Perspektiven der Präventionspraxis auf Konversion und Radikalisierung. Fatima El Sayed (D:Islam) knüpfte an mit einer Studie zu muslimischen Frauenorganisationen und der Frage, wie stark sie von antimuslimischem Rassismus und Islamismus betroffen sind. Sebastian Kurtenbach (RadiRa) präsentierte empirische Befunde zu Radikalisierung und Raum. Dabei empfahl er eine Strategie für sozialräumliche Radikalisierungsprävention. Einen Fokus auf mediale Diskurse und soziale Medien setzten die Vorträge von Liriam Sponholz (RaMi) und Özgur Özvatan (D:Islam). Zentrale Erkenntis: Nach Anschlägen wird „der Islam“ vermehrt in Massen- und sozialen Medien thematisiert und dadurch oft als Problem dargestellt.

Auch der Austausch mit Forschenden aus anderen Verbünden sollte nicht zu kurz kommen. Zum Abschluss der RADIS-Jahreskonferenz stellten Cihan Sinanoğlu und Tae Jun Kim (DeZIM) Ergebnisse aus dem „Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor“ (NaDiRa) vor. Da sich mehrere Projekte der Förderlinie damit beschäftigen, wie der Diskurs um Islamismus rassistische Denkweisen befördert, schloss der Vortrag gut an die Themen der Förderlinie an..

Wir sind dankbar für drei Tage mit bereichernden Vorträgen, vor allem aber für die vielen inspirierenden Gespräche und konstruktiven Diskussionen.

Impressionen von der Jahreskonferenz