Radikalisierung verstehen, vorbeugen und begegnen - unsere Transfertagung 2022

Extremismus- und Radikalisierungsphänomene prägen die gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland und vielen anderen europäischen und außereuropäischen Ländern. Das RADIS-Forschungsnetzwerk, in dem über einhundert Forschende aus insgesamt zwölf Forschungsprojekten der BMBF-Förderlinie „Gesellschaftliche Ursachen und Wirkungen des radikalen Islam in Deutschland und Europa“ zusammenarbeiten und forschen, stellt sich den Komplexitäten von Radikalisierung, Extremismus, Prävention und politischer Bildung vor allem mit Blick auf den Phänomenbereich Islamismus. Mit der öffentlichen Tagung am 19. Mai in Berlin haben wir behördlichen, zivilgesellschaftlichen und politischen Akteuren ein Diskussionsforum geboten, um gemeinsam mit dem Forschungsnetzwerk Erkenntnisse zusammenzutragen, aber auch zu diskutieren, wie sich Extremismus- und Radikalisierungsphänomenen sinnvoll begegnen lässt.

Im Zentrum der Tagung stand die Diskussion über das RADIS Policy Paper „Radikalisierungsprävention umfassend denken, Zivilgesellschaft stärken, Forschungsstrukturen festigen“, in dem die Forschenden des Netzwerks Empfehlungen und Handlungsoptionen zusammengetragen haben. Denn „die Gesellschaft“, so Andreas Zick (RADIS), „wird vielleicht klüger darin, Extremismus und Radikalisierung zu erkennen, aber nicht unbedingt klüger darin, diese auch zurückzuweisen.“ Einig waren sich die Panelist:innen und auch die gut 100 Teilnehmenden darin, dass Extremismusprävention umfassend und als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe zu denken ist; ist doch „die Demokratie selber bereits als strukturelle Prävention“ zu begreifen, wie etwa Susanne Pickel (Projekt RIRA) prägnant betonte. Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in den demokratischen Prozess einfließen zu lassen, bleibt dabei eine Herausforderung. Petra Pau, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, bemerkte, dass gerade sozialwissenschaftliche Erkenntnisse nicht immer in politische Prozesse durchdringen. Cäcilia Hermes vom Büro Serap Güler, MdB hob dazu die Relevanz der Veranstaltung für den dialogischen Wissenstransfer hervor, denn Forschungsergebnisse sollten nicht nur „abrufbar sein, sondern auch so kanalisiert [werden], dass sie zu den Entscheidungsträgern gelangen“.

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Erste Einblicke in die laufende Forschung wurden im zweiten Abschnitt der Tagung in kurzen Präsentationen diskutiert: Liriam Sponholz (Projekt RaMi) zeigte auf, wann und wie in der europäischen Presse die Themen Islam und Muslim:innen verhandelt werden; Gerrit Hirschfeld (Projekt OKAI) sprach über die Krisenkommunikation muslimischer Organisationen nach Anschlagsereignissen; Fatma Aydinli (Projekt Wechselwirkungen) präsentierte eine bayerische Fallstudie zur Wahrnehmung und Akzeptanz des islamischen Religionsunterrichts unter muslimischen Eltern.

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Nach einem Empfang kreiste die Podiumsdiskussion am Abend ebenfalls um die Bedingungen guter Forschung und griff damit einen Strang der Debatte vom Nachmittag auf. Yasemin El-Menouar (Bertelsmann Stiftung), Naika Foroutan (Humboldt-Universität zu Berlin, BIM / DeZIM), Judy Korn (Violence Prevention Network) und Peter Neumann (King’s College London) warfen viele interessante Herausforderungen auf, von Fragen der Wissenschaftsfreiheit etwa in Bezug auf den Umgang mit Datenbeständen über die strukturellen Bedingungen der lokalen und kommunalen Präventions- und Bildungsarbeit bis hin zu Bedingungen und Möglichkeiten für einen gelungenen Wissenstransfer zwischen verschiedenen Akteuren aus Praxis, Politik und Forschung. Dabei wurde auch selbstkritisch festgestellt, dass der manchmal enge Fokus auf Radikalisierungsprozesse der Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland nicht immer vollständig gerecht wird.

Als Auftakt für und gelungener Beitrag zu Austausch und Vernetzung zwischen Wissenschaft, Präventionslandschaft sowie Politik und Behörden war die Tagung ein voller Erfolg. Das persönliche Gespräch bleibt eben trotz aller digitalen Möglichkeiten weiterhin das inspirierendste Format.

  • Hinweis: Das RADIS Policy Paper „Radikalisierungsprävention umfassend denken, Zivilgesellschaft stärken, Forschungsstrukturen festigen“ wird im Juni 2022 fertiggestellt und zugänglich gemacht werden

Dokumentation

Die Tagung wurde als Livestream übertragen; eine Aufzeichnung findet sich zu Dokumentationszwecken auf Youtube. Die einzelnen Programmpunkte lassen sich über die Sprungmarken im Textfeld erreichen.

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