Dienstag, den 18.04.2023, 16:00h-17:30h
Radikale Selbstwirksamkeit? Konsequenzen aus der Silvesternacht für die pädagogische Arbeit
Bahar Aslan, Nicole Schweiß und Christina Schreck diskutieren über die Bedeutung von Selbstwirksamkeitserfahrungen für Schüler:innen und fragen, ob mangelnde Teilhabe und fehlende Zugehörigkeitserfahrungen Ausschreitungen wie in der Silvesternacht begünstigen können. Sie berichten aus Gesprächen, die sie dazu mit ihren Schüler:innen geführt haben, und formulieren Anregungen, wie sich solche Eskalationen in Unterricht und Schule vorbeugen lassen.
Bahar Aslan (Lehrerin und Autorin), Christina Schreck, Nicole Schweiß (Lehrerinnen und Hosts des Podcasts „Kleine Pause – Begegnungen in der Teeküche“)
Schule spielt für die Prävention von demokratie- und menschenfeindlichen Einstellungen eine wichtige Rolle. Als Lern- und Sozialisationsort bietet sie zahlreiche Ansatzpunkte, um Erfahrungen von Gleichwertigkeit, Zugehörigkeit und Teilhabe zu fördern und Jugendliche damit gegen extremistische Ansprachen zu stärken. Dies gilt gerade auch für die Prävention von islamistischen Einstellungen und Verhaltensmustern.
Dabei beschränken sich präventive Formate nicht auf den Unterricht. Ein ganzheitlicher Ansatz umfasst hier ebenso Angebote der schulischen und außerschulischen politischen Bildung, der Schulsozialarbeit und der Schulpsychologie, aber auch solche, die die Schulentwicklung und die Weiterentwicklung des Kollegiums begleiten.
Welche Unterrichtskonzepte und Maßnahmen sind für das jeweilige Kollegium sowie die Schülerschaft geeignet? Wie lassen sich diese Ansätze im Rahmen von Lehrplänen umsetzen und in den Schulalltag integrieren? Wie sollten Bildungsangebote und Präventionsprojekte gestaltet sein, ohne ihrerseits zu Stigmatisierung beizutragen oder extremistische Narrative zu verstärken? Und ist der Präventionsbegriff im Kontext Schule möglicherweise problematisch, weil er aus einer Sicherheitslogik heraus eher defizitorientiert ist, statt wie in der pädagogischen Praxis auf Ressourcen und Stärken zu fokussieren?
Die Webtalk-Reihe beleuchtet diese Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven: Aktuelle Ergebnisse der Islamismus- und Radikalisierungsforschung werden ebenso vorgestellt wie Ansätze aus der politischen Bildung oder konkrete Modellprojekte der Präventionsarbeit. Bei allen Veranstaltungen geht es darum, einen Raum für den Austausch zwischen Schulleitungen, Lehrkräften, Schulsozialarbeiter:innen, außerschulischen Bildungsakteuren sowie Fachwissenschaftler:innen und Präventionsexpert:innen zu schaffen, um gemeinsam erfolgversprechende Ansätze zu diskutieren.
Alle Veranstaltungen finden jeweils dienstags von 16:00h-17:30h Uhr per Zoom statt. Alle registrierten Teilnehmer:innen erhalten per Mail am jeweiligen Vorabend den Einwahllink zum Veranstaltungsraum.
Der Webtalk befasst sich mit (islamistischem) Extremismus als Unterrichtsthema in unterschiedlichen Schulfächern und Klassenstufen. Referent:innen aus der Islamwissenschaft, der praktischen Bildungsarbeit und der Präventionsarbeit diskutieren die Ziele schulischer Auseinandersetzung mit (islamistischem) Extremismus anhand von verschiedenen aktuellen Schulbucheinheiten zu politischem Extremismus. Im Mittelpunkt stehen die Fragen, wie eine differenzierte lernzielorientierte Thematisierung von Islamismus im Klassenzimmer gelingen, wie stereotypisierende und essentialisierende Darstellungen von Islam reflektiert werden und welchen Beitrag Schulbücher zur Einordnung sowie Dekonstruktion extremistischer Narrative leisten können.
Riem Spielhaus (Leibniz-Institut für Bildungsmedien | Georg-Eckert-Institut), Abdurrahman Kulaç (Wolfgang-Borchert-Schule in Berlin Spandau), Canan Korucu (ufuq.de)
Das Recht ist ein zentrales Mittel für den Staat, auf politische und extremistische Gewalt zu reagieren. In der jüngeren Vergangenheit rückte neben der Strafverfolgung dabei immer mehr auch die Prävention durch rechtliche Maßnahmen in den Fokus. Dabei veränderte sich das Recht, es wurden mehr Möglichkeit geschaffen, Menschen etwa zu überwachen und als sogenannte „Gefährder“ vorsorglich in Gewahrsam zu nehmen. So notwendig diese Maßnahmen zu Gefahrenabwehr erscheinen, so tief greifen sie in die ebenfalls rechtlich geschützten individuellen Grundfreiheiten ein. Die Debatte über Freiheit und Sicherheit ist für die politische Bildung junger Menschen grundlegend. Der Webtalk bietet Hintergrundinformationen hierzu für Lehrkräfte, die die Debatte am Beispiel rechtlicher Reaktionen auf politische Gewalt thematisieren wollen
Stefan Kroll, Isabelle Stephanblome (Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung)
Was wir als problematisch wahrnehmen, ist abhängig von unseren Werten, Wissen und Erwartungen. Das Konzept des „doing social problems“ beschreibt diesen Zusammenhang für pädagogisches Handeln: In der Praxis brauchen wir Begriffe und Definitionen, um ein Problem zu adressieren, tragen damit aber zugleich zu dessen Verfestigung und Vereindeutigung bei. Dr. Katharina Leimbach hat dies am Beispiel von Islamismus und Rechtsextremismus untersucht und betont die Notwendigkeit, eigene Vorannahmen und Gewissheiten beständig zu reflektieren.
Katharina Leimbach (Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, Universität Bielefeld)
Bahar Aslan, Nicole Schweiß und Christina Schreck diskutieren über die Bedeutung von Selbstwirksamkeitserfahrungen für Schüler:innen und fragen, ob mangelnde Teilhabe und fehlende Zugehörigkeitserfahrungen Ausschreitungen wie in der Silvesternacht begünstigen können. Sie berichten aus Gesprächen, die sie dazu mit ihren Schüler:innen geführt haben, und formulieren Anregungen, wie sich solche Eskalationen in Unterricht und Schule vorbeugen lassen.
Bahar Aslan (Lehrerin und Autorin), Christina Schreck, Nicole Schweiß (Lehrerinnen und Hosts des Podcasts „Kleine Pause – Begegnungen in der Teeküche“)
Der Beitrag widmet sich den Bedarfen, die Lehrkräfte im Umgang mit religiös begründeten Konflikten sowie (vermeintlicher) islamistischer Radikalisierung im Schulkontext identifizieren. Die Ergebnisse weisen auf deutliche Fort- und Weiterbildungsbedarfe der Lehrkräfte hin, um über kulturelle, sozio-ökonomische und religiöse Unterschiede hinweg in der Schule gesellschaftliche Kohäsion zu fördern. Daran anknüpfend werden auf Basis einer Interviewstudie mit Dozierenden an Standorten für Islamische Theologie Chancen und Herausforderungen für die Radikalisierungsprävention an Schulen analysiert. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem islamischen Religionsunterricht, an den hohe gesellschaftliche Erwartungen hinsichtlich Demokratieförderung und Prävention geknüpft werden. Kritische Stimmen warnen hingegen vor einer Überfrachtung und Überforderung.
Eike Bösing, Alexandra Schramm (Universität Vechta)
Welche Rolle kann Schule im Kontext der Islamismusprävention spielen? Oft werden Schulen mit dieser Aufgabe betraut, ohne dass vorher klar ist, welche Zuständigkeiten bei welchen Akteuren liegen und wie ein pädagogischer Umgang mit sich radikalisierenden Schüler*innen aussehen kann. Wie sehr sind Schulen zwischen ihrem Auftrag der politischen Bildung und dem Anspruch von Prävention hin- und hergerissen und was genau bedeutet eigentlich Islamismusprävention im Bildungskontext – nicht nur für die pädagogischen Akteure, sondern auch für Schüler:innen? Dieser Webtalk gibt einen Einblick in die praktische Umsetzung dieser Fragen an einer Schule in Berlin.
Gabi Elverich (Fritz-Karsen Schule, Berlin), Philippe Marquardt (TU Dortmund)
Das Konzept der Demokratiestunde ist eine interaktive Demokratieförder- und Präventionsmaßnahme für Schulen. Sie wird im Rahmen des Forschungsvorhabens „Radikaler Islam versus radikaler Anti-Islam" konzipiert als Interaktionsformat zur Stärkung demokratischer Selbstwirksamkeit der Schüler:innen, als gelebte Demokratie in der Schule. Der Austausch beginnt zunächst auf Klassenebene, etwa als wöchentliches Format zwischen den Schüler:innen und bezieht im nächsten Schritt die Lehrer:innen ein. Nach einer kurzen Einführung in das Konzept werden erste Erfahrungen aus einem Berufskolleg und einer Gesamtschule in der Rhein-Ruhr-Region vorgestellt.
Peter Krumpholz (Universität Duisburg-Essen)
Immer wieder kommt es in der Schule zu emotional stark aufgeladenen Situationen. Konflikte können sich an aktuellen Ereignissen wie Anschlägen, an politischen oder militärischen Auseinandersetzungen entzünden, aber auch an immer wiederkehrenden Themen und Unterrichtsgegenständen, zum Beispiel in der politischen Bildung. Auch Erfahrungen von Diskriminierung und Ungleichbehandlung spielen im Schulalltag eine wichtige Rolle und sind stark emotionsbehaftet. Wie können Lehrkräfte damit gut umgehen – und welche Potenziale bieten Emotionen auch für das Miteinander und das Lernen?
Connie Castein (Sozialarbeiterin, Mediatorin)
Im Webtalk sollen sowohl empirische Befunde zum Thema "Antisemitismus an Schulen" als auch erste Ansätze von Präventionskonzepten vorgestellt werden. Zusammen mit dem Praxispartner Netzwerk für Demokratie und Courage e.V. diskutieren wir Konsequenzen berichteter Antisemitismuserfahrungen für die politische Bildungsarbeit.
Heiko Beyer, Melanie Reddig (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), N.N. (Netzwerk für Demokratie und Courage e.V.)
Wenn es um die Prävention von Radikalisierungstendenzen geht, sind die Erwartungen, die an Schulen herangetragen werden, groß. Allerdings stellen diese Erwartungen Schulen auch vor große Herausforderungen. Oft fühlen sie sich auf diese Aufgabe nicht ausreichend vorbereitet oder es fehlt an Zeit und Strukturen um ganzheitliche Präventionskonzepte aufzustellen. Mittlerweile gibt es zahlreiche Angebote auf Bundes- und Landesebene, die Schulen und Kollegien im Umgang mit antidemokratischen und menschenfeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen unterstützen. Am Beispiel des Bundesprogramms „Respekt Coaches“, der Fachkräfte Systemberatung Extremismusprävention/Schulpsychologie NRW und dem Projekt „Starke Lehrer - starke Schüler“ werden unterschiedliche Zugänge und Ansätze vorgestellt, die in den vergangenen Jahren umgesetzt wurden.
Sascha Horn (Fachstelle JMD Respekt Coaches), Michael Wetekam (Landesstelle Schulpsychologie und Schulpsychologisches Krisenmanagement NRW), Dagmar Peterhänsel (Projektleitung „Starke Lehrer – starke Schüler“)
* Die Mitarbeit von ufuq.de erfolgt im Rahmen des Kompetenznetzwerkes „Islamistischer Extremismus“ (KN:IX) mit einer Förderung im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.